Sam Altman, CEO von OpenAI, hat es also wieder einmal geschafft. Am 2. Oktober konnte er den Abschluss der jüngsten Finanzierungsrunde verkünden. 6,6 Milliarden Dollar konnte er bei den Investoren einsammeln und das zu einer gigantischen Bewertung von 150 Milliarden (Pre-Money). D.h. das Unternehmen hinter ChatGPT wird nun inklusive der neu aufgefüllten Kasse mit 157 Milliarden Dollar bewertet.
Man muss sich diese Dimensionen vor Augen führen: 88% aller Unternehmen aus dem S&P500 der größten US-Unternehmen sind weniger wert als OpenAI. Darunter befinden sich so bekannte Unternehmen wie Starbucks, UPS, Nike, BlackRock, Uber und Goldman Sachs.
Die Bewertung von mehr als 150 Milliarden Dollar bedeutet fast eine Verdoppelung gegenüber der Bewertung im Februar 2024 (also vor nur 8 Monaten) und eine Verzehnfachung gegenüber einer Finanzierungsrunde vor 3 Jahren.
Das klingt verrückt. Und ist es vielleicht auch. Zumindest wenn man mit der üblichen Denkweise eines Investors an die Sache herangeht, der auf den Börsengang seines Pre-IPO-Investments hinfiebert, um einen lukrativen Exit anzustreben.
Aber vielleicht sind die Interessen der hier beteiligten Investoren auch ganz andere? Wer sind diese Investoren eigentlich, die bereit sind, diesen wahrhaft strategischen Preis zu zahlen, um ein kleines Stück von OpenAI zu bekommen?
Es ist schon auffällig, dass in der offiziellen Ankündigung der Finanzierungsrunde auf dem OpenAI-Blog die Investoren nicht genannt werden.
Die Investoren von OpenAI
Dennoch kommt langsam ans Licht, wer die Geldgeber sind und welche Zugeständnisse OpenAI machen musste, um an das Geld zu kommen.
Fassen wir den aktuellen Stand der Informationen bzw. Spekulationen zusammen:
Zu den Investoren der aktuellen Finanzierungsrunde von OpenAI gehören zunächst eine Reihe von VC-Investoren wie Thrive Capital (+$1 Mrd., Khosla Ventures und Altimeter Capital.
Auch die strategischen Partner Microsoft und Nvidia sind unter den Investoren.
Hinzu kommen Softbank ($500 Mio.), ARK Invest ($250 Mio.) und der MGX Fund.
Bei der jüngsten Finanzierung handelt es sich übrigens nicht um die Bereitstellung von klassischem Eigenkapital, sondern es wurden Wandelanleihen ausgegeben. Diese müssen zuzüglich 9% Zinsen zurückgezahlt werden, wenn es OpenAI nicht gelingt, innerhalb von 2 Jahren seine Struktur als Non-Profit-Organisation aufzugeben. In der jetzigen Organisation gibt es z.B. eine Gewinnbeschränkung für Investoren (u.a. Microsoft), die in Zukunft wegfallen soll.
Pikanterweise verlangt OpenAI von den Investoren Exklusivität, d.h. sie sollen keine VC-finanzierten Konkurrenten wie Anthropic, Elon Musks xAI, die Suchmaschine Perplexity und Safe Superintelligence von OpenAI-Mitbegründer Ilya Sutskever unterstützen.
Was bekommen die Investoren für ihr Geld?
OpenAI soll 2024 einen Umsatz von $3,6 Mrd. machen, bei steigenden Verlusten von über $5 Mrd. 2025 soll den Investoren ein weiterer Umsatzsprung auf $11,6 Mrd. versprochen worden sein, berichtet Reuters. Im Jahr 2026 sollen es bereits 25 Milliarden sein und im Jahr 2029 sollen 100 Milliarden Umsatz erreicht werden.
Damit wird OpenAI in der jüngsten Finanzierungsrunde mit dem 13-14 fachen des erwarteten Umsatzes im kommenden Jahr bewertet. Das Umsatzmultiple klingt dann schon eher nach einer branchenüblichen Bewertung eines Tech-Highflyers. Zumal allein ChatGPT mittlerweile 250 Millionen wöchentlich aktive Nutzer zählt und die Marke ChatGPT für viele Nutzer gleichbedeutend mit GenAI ist.
Wo liegt also das Problem? Die Macher von ChatGPT verbrennen derzeit wohl ca. $5 Mrd. p.a., die immer größer werdenden LLMs verursachen exponentiell steigende Kosten in Training und Betrieb. Mit anderen Worten: In nur einem Jahr ist die nächste Kapitalspritze notwendig und damit eine weitere Verwässerung zu erwarten. Die Gewinnschwelle ist noch lange nicht erreicht.
Doch Sam Altman hat das Geld zu dieser Bewertung nicht wegen des großen Erfolgs von ChatGPT bekommen. Seine Ambitionen gehen weit über Generative AI hinaus. Er lockt seine Investoren weiterhin mit der Aussicht auf eine Artificial General Intelligence (AGI), die kognitive Fähigkeiten entwickeln und in Zukunft der menschlichen Intelligenz überlegen sein soll.
Ich halte das nicht für realistisch, weil ich glaube, dass die aktuellen Ansätze der Generativen AI mit ihrem exponentiell steigenden Bedarf an Rechenleistung und Energie nicht geeignet sind, diesen weiteren Quantensprung zur AGI zu schaffen. Vgl. dazu auch den Beitrag von Will Locket über das drohende Ende der rasanten Entwicklung der KI.
Der Exodus bei OpenAI
Ich bin einigermassen überrascht, dass Sam Altman diese Finanzierungsrunde erfolgreich abgeschlossen hat. Vor allem vor dem Hintergrund, dass er in den letzten Monaten einen massiven Exodus seines technologischen Führungsteams hinnehmen musste.
Hier noch einmal die Abgänge der letzten Monate zusammengefasst:
September 2024
Mira Murati – Chief Technical Officer
Bob Mc Grew – Chief Research Officer
Barret Zoph – VP Post Training , gründet neues StartUp
August 2024
John Schulman, Co-Founder, jetzt beim direkten Konkurrenten Anthropic, gegründet von ehemaligen OpenAI-Mitarbeitern und unterstützt u.a. von Amazon.
Greg Brockman, Co-Founder, derzeit im Sabbatical (geplant bis Ende 2024)
Mai 2024
Ilya Sutskever – Co-Founder, Chief Scientist, gründet neues Startup Safe Superintelligence
Damit haben 9 der ursprünglich 11 Co-Founder OpenAI verlassen. Neben Sam Altman ist nur noch Wojciech Zaremba für das Unternehmen tätig. Damit sind nicht nur viele der Schlüsselfiguren in der OpenAI-Forschung weg, sondern diese sind auch kräftig dabei, ebenfalls mit milliardenschweren Finanzierungen Konkurrenzunternehmen zu OpenAI aufzubauen.
Der KI-Realitätscheck
Ich will die Leistungen und das Potenzial von OpenAI nicht kleinreden: Generative KI ist gerade dabei, die Arbeitswelt der Wissensarbeiter auf diesem Planeten entscheidend zu verändern. Dieser Technologiesprung ist wohl nur mit dem Aufkommen des Internets oder der Erfindung des Smartphones vergleichbar.
Aber alle Prognosen, dass KI in wenigen Jahren einen Großteil der Menschen im Büro überflüssig machen wird, halte ich für weit übertrieben. Generative KI wird helfen, immer bessere Werkzeuge und „Copiloten“ auf den Markt zu bringen. Aber sie wird den Menschen nicht das Denken abnehmen. Gen AI ist per se nicht robust und wird niemals dort eingesetzt werden können, wo Menschen zuverlässig die richtigen kleinen oder großen Entscheidungen treffen müssen.
Ist OpenAI heute 150 Milliarden Dollar wert, wenn man bedenkt, dass in etwa 12 Monaten die nächste Verwässerung für die Aktionäre ansteht?
Ich denke nicht, denn ich glaube nicht, dass OpenAI weitere bahnbrechende Fortschritte in Richtung einer echten AGI machen wird. Dazu bedarf es aus meiner Sicht ganz anderer Ansätze außerhalb oder zusätzlich zur Generativen KI. Ob OpenAI oder ein anderer Player diese bahnbrechenden Fortschritte machen wird, ist völlig offen.
Ein Unternehmen, das „nur“ den Markt für GenAI dominiert, könnte trotz einer Cashburn-Rate von über 100% durchaus ein zweistelliges Umsatzmultiple wert sein, wenn die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells gegeben ist, d.h. mit immer mehr Nutzern die Kostenquoten sinken und die Gewinne steigen.
Bei jeder „normalen“ Softwarefirma sinken z.B. die Entwicklungskosten sowie die Kosten für Marketing+Vertrieb irgendwann im Lebenszyklus des Unternehmens. Wie das bei OpenAI funktionieren soll, ist mir schleierhaft, da das Trainieren und Betreiben von immer komplexeren LLMs immer mehr Ressourcen verbraucht. OpenAI hat – im Gegensatz zu anderen SaaS-Unternehmen – ein unglaublich kapitalintensives und damit kein besonders attraktives Geschäftsmodell.
Sam Altman hat selbst gesagt, dass er 100 Milliarden Dollar braucht, um seine Ziele zu erreichen. Nach dieser Runde hat er gerade einmal 20 Prozent davon eingesammelt.
Darüber hinaus steht OpenAI im Bereich Gen AI in hartem Wettbewerb mit ebenfalls finanzstarken Konkurrenten. An erster Stelle ist natürlich Google zu nennen. Hinzu kommt xAI von Elon Musk. Und nicht zuletzt Anthropic, gegründet von Ex-OpenAI-Leuten und unterstützt von Amazon. Kurzum: Es ist nicht davon auszugehen, dass auf lange Sicht ein monopolähnlicher Markt entsteht, auf dem sich Traummargen wie derzeit von Nvidia verdienen lassen.
Die Interessen der OpenAI Investoren
Warum also investieren all diese namhaften Investoren weitere Milliarden in OpenAI?
Vielleicht haben sie einfach mehr Fantasie als ich? Möglich.
Vielleicht haben sie aber auch alle ihre eigenen Interessen, nach denen ein Scheitern von OpenAI für sie viel schlimmer wäre, als ein unrentables Investment zu riskieren.
Mein Versuch einer Erklärung:
Microsoft
Microsoft als größter Anteilseigner und wichtigster strategischer Partner von OpenAI befindet sich durchaus in einer gewissen Abhängigkeit von den ChatGPT-Machern. Die MS-Wachstumsstory der nächsten Jahre basiert im Wesentlichen auf steigenden Umsätzen aus den diversen Copiloten in Office und GitHub sowie den AI-Workloads, die Enterprise Kunden in der Azure Cloud hosten. Zudem wirkt sich eine steigende Bewertung von OpenAI auf den Wert der OpenAI Beteiligung aus, die man aus heutiger Sicht in 2019 und 2023 zu einem Schnäppchenpreis erworben hat (Bewertung damals unter 30 Milliarden Dollar). Microsoft wird alles tun, um OpenAI zu stärken.
Nvidia
Nvidia ist neu im Kreis der OpenAI-Aktionäre. Das ist keine Überraschung, sondern entspricht dem Playbook von Nvidia, nachdem sie allein 2023 in 38 verlustreiche Startups investiert haben, die Nvidia GPUs nutzen. Die aus meiner Sicht äußerst problematische Rolle von Nvidia (und Microsoft) in der KI-StartUp-Welt hatte ich hier im Blog vor einigen Monaten schon einmal ausführlicher beleuchtet: Big Tech als VC-Investor: Rendite oder Schutzgeld
Ich gehe davon aus, dass ein Vielfaches der Investment von Microsoft und Nvidia in OpenAI wieder in deren Firmenkassen zurückfliessen durch den Kunden OpenAI. Wahrscheinlich gab es hier zumindest Umsatzzusicherungen wie in früheren Fällen dokumentiert. Offenbart würden diese Beziehungen erst durch einen Emissionsprojekt von OpenAI, wenn es denn je zum IPO kommen würde.
Venture Capital Investoren
Die bereits investierten VCs spielen dieses Spiel mit immer weitere steigenden Bewertungen solange mit, solange sie mit dem Modethema AI immer mehr Geld für ihre neuen Fonds einwerben können. Sie sind vor allem daran interessiert, dass die Bewertung ihrer Anteile steigt im Portfolio steigt. Und daher werden sie auch zu einer Bewertung von $300 Mrd., also einer nochmaligen Verdoppelung in 12 Monaten, OpenAI wieder weiteres Geld geben, da sie damit ja eine bestehende Beteiligung zuschreiben und damit einen hohen Buchgewinn vorweisen können, was bei der Einwerbung von neuem Kapital hilft.
Wirklich interessant ist, welche Investoren in einer späteren Runde neu einsteigen: Dabei sind ARK Investoren von Cathie Wood, die Softbank und mit MGX ein Staatsfonds aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Jeder von Euch mag selbst beurteilen, was er von diesen Investoren hält.
Mir jedenfalls sind sie in der Vergangenheit nicht gerade positiv aufgefallen.
Vielleicht noch interessanter ist, welche potentiellen Investoren NEIN zu einem möglichen Investment gesagt haben:
Da wäre zunächst Apple zu nennen, die lange im Gespräch waren und ihre bestehende Partnerschaft mit OpenAI hätten festigen können, sich aber gegen ein Investment entschieden haben. Ebenfalls nicht dabei ist Sequoia Capital, die sich im Zuge des AI-Hypes mittlerweile zu einer kritischen Stimme in der VC-Welt entwickelt haben (siehe dazu: Wann platzt die KI-Blase?).
Kommt jetzt der OpenAI IPO?
Die spannende Frage ist, was im nächsten Jahr passiert, wenn OpenAI wieder neues Geld einwerben muss. Wenn dann die Bewertung auf 300 Milliarden Dollar verdoppelt werden kann, dann ist das kein Problem, alle bisherigen Investoren werden gerne wieder dabei sein. Microsoft und Nvidia aus den bekannten Gründen, die VCs freuen sich über die Zuschreibung zu ihren Portfoliowerten und alle sind glücklich.
Was aber, wenn die Stimmung kippt und sich keine neuen Investoren mehr finden lassen, weil z.B. die Umsätze nicht mehr ganz so explosionsartig wachsen oder sich die Erkenntnis durchsetzt, dass der Durchbruch zu einer echten AGI in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist?
Dann könnte OpenAI angesichts des unkontrollierbaren Cashburns sehr schnell implodieren.
Für Venture Capitalists wäre es nicht das erste Mal, dass sie nach einem Hype ihren Kunden erklären müssen, warum sie Beteiligungen abschreiben müssen. Für sie ist das business as usual. Das Risiko, nicht in eine bahnbrechende Innovation investiert zu sein, wiegt schwerer. Es ist eben Risikokapital. Für andere OpenAI-Investoren dürfte der Absturz schmerzhafter sein.
Besonders schlimm wäre es, wenn dann Millionen von Kleinanlegern OpenAI-Aktien in ihren Depots hätten. Damit es so weit kommt, müsste OpenAI aber erst einmal den mit Abstand größten Tech-Börsengang hinlegen, den diese Welt je gesehen hat. Ich bin skeptisch, dass es jemals dazu kommen wird. Aber warten wir es ab, mit Sam Altman und der neuen CFO Sarah Friar hat das Unternehmen zwei der besten Storyteller des Silicon Valley in seinen Reihen.
Ich gehe allerdings davon aus, dass Sam Altman dennoch irgendwann einsehen muss, dass AGI in absehbarer Zeit unerreichbar bleibt. Dann wird es wohl nie zu einem Börsengang von OpenAI kommen, sondern eher zu einer Übernahme z.B. durch Microsoft. Sobald die AGI-Fantasie platzt, dürften zumindest jene Technologieaktien wie Nvidia, die vom KI-Hype profitiert haben, massiv einbrechen.
Noch negativer als ich sieht der renommierte Professor Daron Acemoglu vom MIT die Folgen des KI-Hypes in einem Interview mit Bloomberg. Er befürchtet einen Crash und weitreichende negative ökonomische Folgen für die gesamte Wirtschaft, wenn die Möglichkeiten von KI weiterhin zu positiv eingeschätzt werden und zu viele Investitionen in diesen Bereich gelenkt werden. Ein geglückter Mega-IPO von OpenAI würde wohl das Eintreten dieses Negativ-Szenario bedeuten. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt.
Fazit
Der KI-Hype geht mit der riesigen Finanzierungsrunde von OpenAI in die nächste Runde. Das Unternehmen scheint mir mit 157 Milliarden Dollar deutlich überbewertet. Ich sehe die große Gefahr, dass OpenAI in den nächsten Jahren unter Sam Altman eine grandiose Pleite hinlegt bzw. durch eine Übernahme von Microsoft – zu einer dann deutlich niedrigeren Bewertung – vor der drohenden Insolvenz gerettet wird.
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Disclaimer
Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen KEINE Anteile von OpenAI, Nvidia oder Microsoft. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und selbstverständlich keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.