Fr. Nov 1st, 2024

In einem Beitrag über die 7 größten Börsen-Dummheiten hatte ich schon einmal meine generelle Ablehnung von Aktienkäufen auf Pump zum Ausdruck gebracht.

Ich kann verstehen, wenn Dir ein Wertpapierkredit und ein Hebeln Deiner Gewinne in Zeiten von Null-Zinsen sehr verlockend erscheint. Gerade angesichts der Performance, die Du mit Deinem eigenen Geld mit Aktien in den vergangenen Jahren wahrscheinlich erzielt hast. Dennoch wiederhole ich mich da gerne:

Der Aktienkauf auf Kredit sollte für Dich Tabu sein!

Bevor Du mit dem Investieren beginnst, solltest Du Dich kritisch fragen, ob Du über die Mittel dazu verfügst. Du solltest grundsätzlich nur eigenes Geld anlegen. Jedes Engagement am Aktienmarkt enthält ein Risiko und kein Mensch weiß wann die nächste Baisse an der Börse beginnt.

Sei Dir bitte im Klaren darüber, dass eine Schwächephase mit sinkenden Kursen an den Aktienmärkten auch mal einige Jahre dauern kann. Es ist sogar die Ausnahme, wenn ein solcher Crash wie im März 2020 schon nach wenigen Wochen wieder der Vergangenheit angehört.

Man kann unterschiedlicher Meinung sein, wieviel Geld Du als Notgroschen auf der hohen Kante haben solltest, bevor Du am Finanzmarkt aktiv wirst. Ich rate zu mindestens zwei Monatseinkommen.

Der Wertpapierkauf auf Kredit ist für mich tatsächlich ein absolutes No-Go. Denn dann bestimmt u.U. sogar Deine Bank, wann Du eine bestimmte Aktie verkaufen musst. Der Grund: in der Regel werden bei solchen Krediten die Wertpapiere als Sicherheiten akzeptiert. Wenn diese aber in einem Crash auch nur vorübergehend ihren Wert verlieren, dann kann Dich die Bank mit einem sogenannten „Margin Call“ zum Verkauf gerade zum ungünstigsten Zeitpunkt zwingen.

Warum ich das hier so deutlich wiederhole?

Einmal weil es so wichtig ist und zum anderen weil mich die aktuellen Statistiken über die ausgegebenen Wertpapierkredite („engl. Margin Debt“) in USA doch einigermaßen besorgt stimmen. Diese Zahlen werden von der FINRA (Financial Industry Regulatory Authority = US-Finanzmarkt-Regulierungsbehörde) hier monatlich veröffentlicht.

Nie gab es mehr „Margin Debt“ als heute

Immer mehr US-Bürger nehmen immer größere Wertpapierkredite in Anspruch. Laut den Zahlen der FINRA haben sich die Wertpapierkredite seit März 2020 um 70% erhöht. Zu Jahresbeginn 2021 sind sie um weitere 2,6% auf die Rekordsumme von fast $800 Mrd. angestiegen.

Dieses Geld wurde verwendet, um gehebelt Aktien zu kaufen. Die Aktienkurse wurden auch aufgrund dieser doch eher künstlichen Nachfrage entsprechend aufgebläht.

Im 10-Jahreschart sieht das noch recht unspektakulär aus: während die Wertpapierkredite um 125% angestiegen sind, hat der S&P 500 Index sich in diesem Zeitraum sogar mehr als verdreifacht.

So What?

Um die Gefahr zu verstehen, die aus dem Margin Debt resultiert, muss man schon etwas genauer hinschauen und vor allem einen etwas langfristigeren Blick in die Vergangenheit werfen.

Die US Finanzprofis von Advisor Perspectives haben genau das getan:

In der folgenden Grafik wurden die positive Cashreserven („Positive Balance“) mit den in Anspruch genommenen Wertpapierkrediten („Margin Debt“) ins Verhältnis gesetzt. In Rot erkennt man die Zeiten, in denen Kredite überwiegen, in Grün die Zeiten in denen es mehr Cash als Kredite auf den Wertpapierkonten gab.

Wenn man genau hinschaut, dann erkennt man, dass in der Vergangenheit jeweils einige Monate vor einer heftigen Korrektur wie dem Platzen des Techblase in 2000 oder vor der Baisse zur Finanzkrise 2007/2008 die Wertpapierkredite einen Hochpunkt erreicht hatten.

Quelle: https://www.advisorperspectives.com/dshort/updates/2021/02/18/margin-debt-and-the-market-up-2-6-in-january-continues-record-trend

Was daraufhin im schwächelnden Aktienmarkt 2000 und 2008 passierte, ist leicht erklärbar – und es ist auch für die Zukunft wieder zu erwarten: sobald die Kurse ernsthaft ins Rutschen kommen, kommt es seitens der Banken zu den berühmt berüchtigten „Margin Calls“.

D.h. die nun weniger wertvollen Wertpapiere reichen den Banken nicht länger als Sicherheiten für die gewährten Kredite aus. Die Banken verlangen von den Anlegern die Hinterlegung zusätzlicher Sicherheiten bzw. den kurzfristigen Verkauf von Wertpapieren.

Diese Margin Calls kommen natürlich dann immer zum ungünstigsten Zeitpunkt in einer Kursschwäche und sie passieren mehr oder weniger gleichzeitig bei einer Vielzahl von Investoren, die alle verkaufen müssen. Diese Verkäufe drücken dann zusätzlich auf die Kurse.

Erinnerung an das Platzen der 1. Techblase in 2000

Je mehr Wertpapierkredite es gibt, desto größer ist dieser Effekt. Und wenn die betroffenen Anleger dann auch noch alle die gleichen Modeaktien im Depot haben (das sind i.d.R. die, welche in den Jahren zuvor besonders stark gestiegen waren), dann wollen bzw. müssen viele Anleger genau diese Werte gleichzeitig verkaufen – was eine Abwärtsspirale in Gang setzt.

Entsprechend haben z.B. die Aktien der Unternehmen, die in der Techblase in den 90er Jahren am meisten gehyped waren, beim Platzen der Internetblase am stärksten verloren.

Viele von den damals gehypten Dotcom-Unternehmen sind heute längst vergessen. Die besten dieser Unternehmen wie Cisco oder Intel jedoch haben nicht nur überlebt, sondern sich fundamental gut entwickelt und ihren Umsatz seither vervielfacht. Aber die Aktienkurse von Cisco, Intel und Co. sind damals um 75%-85% eingebrochen und haben bis heute das Niveau der Jahrtausendwende nicht mehr erlebt.

Abb.: Langfristchart Cisco und Intel

Meine Prognose: in 20 Jahren werden wir viele der heute gehypten Wasserstoff- oder E-Mobilitätsaktien gar nicht mehr auf dem Kurszettel finden.

Die besten der heutigen Modeaktien wie Tesla oder Snowflake werden viele Jahre brauchen, um nach dem Platzen der aktuellen Blase das heutige Kursniveau (dann aber fundamental gerechtfertigt) wieder zu erreichen.

Wie kannst Du davon profitieren?

Wohl dem, der nach dem Platzen einer solchen Blase genügend Cash zur Verfügung hat, um die Ausverkaufskurse dieser Situationen für seine Schnäppchenjagd nutzen zu können.

Das sind dann die Momente in denen das „Smart Money“ äußerst gewinnbringend investiert werden kann, welches bis dahin geduldig auf sein Investment gewartet hat.

Ein solches Anlegerverhalten des Abwartens fällt natürlich in Zeiten von Negativzinsen enorm schwer. Auch ich bin ständig auf der Suche nach einigermaßen vernünftig bewerteten Titeln, die in der nächsten Baisse entsprechend weniger stark zurechtgestutzt werden.

Denn es ist in diesen Zeiten auch keine Lösung, große Summen lange Zeit auf unverzinsten Konten liegen zu lassen bzw. sogar Negativzinsen zu bezahlen.

Fazit

Ich habe selbst keinen Beweis dafür, dass die Summe der ausgegebenen Wertpapierkredite tatsächlich ein brauchbarer vorauslaufender Indikator für eine Schwäche am Aktienmarkt ist.

Aber zumindest sind die aktuellen Rekordzahlen zum Margin Debt aus den USA für mich ein weiteres Warnsignal dafür, dass wir uns in einem weit fortgeschrittenen Bullenmarkt befinden. Das Eis wird immer dünner.

Ich habe mich auch gefragt, wie das mit den Wertpapierkrediten eigentlich im deutschsprachigen Raum aussieht? Für Deutschland bzw. die EU sind mir solche Statistiken gar nicht bekannt.

Kann das sein? Gibt es denn tatsächlich in Deutschland keine Statistik, die festhält, in welchem Umfang Anleger Wertpapierkredite aufnehmen? Eventuell kann mir jemand von Euch helfen, meine Bildungslücke zu schliessen?

Ich freue mich auf eine entsprechende Diskussion via Twitter (@stwboerse) oder Instagram (@hightechinvesting).

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