Stell dir vor du guckst den ganzen Tag Netflix und gehst nicht mehr zur Arbeit. Für die meisten sicher langfristig nicht erstrebenswert, aber nach einiger Zeit wirst du wissen, wie es um deine finanzielle Freiheit steht. Ob finanzielle Freiheit erstrebenswert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Finanzielles Wohlbefinden sollte hingegen für alle erstrebenswert sein.
Jeder Mensch strebt nach einem glücklichen und selbstbestimmten Leben. Oft wird mit diesem Ziel Reichtum oder finanzielle Freiheit verbunden. Auch wenn geregelte Finanzen in keiner Weise ein Garant für Glück und Selbstbestimmung sind, so sind ungeregelte Finanzen in vielen Fällen eine Ursache für Sorgen und Fremdbestimmung. Finanzielles Wohlbefinden ist für mich eine Voraussetzung für ein glückliches und selbstbestimmtes Leben.
Die Einstellung zum Geld
Eines Tages kam meine Tochter aus ihrer Vorschule wieder und erzählte mir sinngemäß, dass Geld etwas Schlechtes ist. Auf die Frage wie sie zu diesem Schluss kommt, sagte sie, dass die Vorschullehrerin das so gesagt hat.
OK, dachte ich mir. Da scheint möglicherweise in die falsche Richtung zu laufen. Ich nahm sie daher zur Seite und versuchte zu erfragen was denn sie darüber denkt. Ihre Gedanken waren auch sehr plausibel. Für sie war Liebe viel wichtiger als Geld. Ich bestärkte sie in dieser Einschätzung. Gleichzeitig versuchte ich aber das Thema Geld einen etwas neutraleren Anstrich zu geben.
Ich erklärte ihr, dass man Geld wie ein scharfes Messer sehen kann. Man kann damit jemanden verletzen, aber auch das Brot in Scheiben schneiden. Es kommt daher nicht auf das Werkzeug an, sondern auf die eigene Einstellung dazu.
Weiter versuchte ich den eigentlichen Nutzen von Geld plastisch zu machen. Ich erzählte von den Schwierigkeiten die z.B. ein Bäcker, Bauer oder Müller hätten, wenn sie nur ihre Ware tauschen könnten. Sie verstand dann auch, dass das Werkzeug Geld den Tauschvorgang erheblich erleichtert.
Nun ist das Thema Geld eben nicht neutral besetzt, sondern oft sehr emotional. Zur Wahrheit gehört eben auch, dass Geld als Indikator für die Ungleichheit in unserer Gesellschaft steht. Das hat die Vorschullehrerin sicherlich auch mit ihrer Aussage ausdrücken wollen.
Leider führt aber diese Einstellung zum Geld ironischerweise zu noch mehr Ungleichheit in der Gesellschaft. Eine negative Einstellung zum Geld führt oft auch dazu, dass man weniger davon besitzt als einem zustehen könnte. Das „Weniger“ fließt dann woanders hin – nämlich zu den „da oben“.
Die Einstellung zum Geld ändert man nicht von heute auf morgen. Das ist ein Prozess bei dem Glaubenssätze bis zurück zur Kindheit eine Rolle spielen. Haben zum Beispiel die Eltern eine negative Einstellung zum Geld gehabt, dann ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass man diese Glaubenssätze in sich trägt und entsprechend handelt.
Die Einstellung zum Geld ist die Grundvoraussetzung – aber mitunter auch die größte Hürde – um Finanzielles Wohlbefinden zu erlangen. Eine weitere Voraussetzung für finanzielles Wohlbefinden ist die finanzielle Bildung.
Bei meinen Kindern habe ich die Mission ihnen eine neutrale Perspektive auf das Thema Geld und eine gesunde finanzielle Bildung mitzugeben.
Finanziell sorgenfrei leben und nicht arm sterben
Finanzielles Wohlbefinden heißt eine ausgewogene die Balance zwischen verlässlichen Einnahmen, lebenswertem Konsum und die Vorsorge für den Ruhestand zu gewährleisten.
Was heißt das jetzt im Einzelnen?
Verlässliches Einkommen oder der Netflix-Test
Stellen wir uns zwei Nachbarn vor. Nachbar Karl Klumpen pflanzt in seinem Garten einen Apfelbaum und investiert all seine Zeit und Ressourcen, um aus dem kleinen Setzling einen prachtvollen Baum werden zu lassen. Nachbar Siegfried Streu-Ung setzt mehrere Setzlinge mit unterschiedlichen Obstsorten. Er kann sich aber nicht so intensiv um jeden einzelnen Setzling kümmern wie Karl Klumpen, daher tragen die einzelnen Bäume weniger Obst als der Prachtbaum von Karl.
Auch wenn ein paar der Setzlinge bei Siegfried Streu-Ung eingehen, wachsen doch ausreichend Bäume heran und schenken Siegfried jährlich eine große Variation an Obstsorten.
Eines Tages wird der Apfelbaum von Karl Klumpen von Misteln befallen. Auch der Apfelbaum von Siegfried bleibt nicht verschont. Doch für Karl steht jetzt die Existenz und seine einzige Quelle für Obst auf dem Spiel. Siegfried hat noch andere Obstbäume, die nicht befallen sind und hat nur einen kleinen Ausfall zu beklagen.
Das Obst steht in diesem Beispiel für Einkommen. Der große Apfelbaum für die berufliche Ausrichtung in genau einem Spezialgebiet. Die Vielfallt von Siegfried für die Streuung (Diversifikation). Das alleinige Setzen auf den Prachtbaum steht dabei für das Klumpenrisiko.
Es macht Sinn mehrere Einkommensquellen zu haben, um das Gesamtrisiko zu reduzieren und damit das Einkommen verlässlicher zu machen. Man kann dabei grob zwei Arten unterscheiden: Einkommen aus aktiven Quellen und Einkommen aus passiven Quellen.
Was würde mit deiner Einkommenssituation passieren, wenn du morgen einfach zu Hause bleibst und den ganzen Tag Netflix guckst. Alle Einkommensquellen, die jetzt versiegen sind aktive Einkommensquellen.
Nach ein paar Monaten und der letzten Folge „Haus des Geldes“ geht dir dann doch auf, dass du auch in Zukunft Miete zahlen, Nahrung aufnehmen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben möchtest. Wenn du nun auf deine letzten Geldeingänge schaust, dann sind das wahrscheinlich passive Einkommensquellen (Ausnahme siehe Infobox Transferleistungen).
Infobox Transferleistungen
Transferleistungen wie z.B. Elterngeld würden zwar vorläufig den Netflix-Test bestehen, sind aber in diesem Sinne keine passiven Einkommensquellen, da sie meist temporär sind und/oder politischen Einflüssen unterliegen. Anwartschaften wie die gesetzliche Rente hingegen zählen wiederum zu passiven Einkommensquellen, da hierfür Jahre lang Beiträge getätigt worden sind. |
Finanzielles Wohlbefinden heißt sukzessive die passiven Einkommensquellen aufzubauen und immer weniger von den aktiven Einkommensquellen abhängig zu sein. Bedenke aber: Wichtigste Voraussetzung für den Aufbau der passiven Quellen sind deine aktiven Quellen bzw. deine Aktivitäten…
Lebenswerter Konsum
Als Frugalisten bezeichnet man eine Gruppe von Menschen, die sich der minimalistischen Lebensweise verschrieben haben. Minimalistisch heißt hier „Möglichst viel einnehmen, möglichst wenig ausgeben und möglichst gewinnbringend investieren“. (Quelle aus einem Artikel der Süddeutschen Zeitung). Einer der bekanntesten Frugalisten in Deutschland ist Oliver Noelting mit seinem bekannten und sehr lesenswerten Blog frugalisten.de.
Nun ist die Lebensweise von Frugalisten wie Oliver nicht jedermanns Sache. Ironischerweise würde eine Welt voller Frugalisten nicht funktionieren, da das „gewinnbringende Investieren“ zumindest in unserem derzeitigen Wirtschaftssystem ausreichend Konsum voraussetzt. Ein Frugalist kann also nur dann möglichst viel einnehmen und gewinnbringend investieren, wenn es irgendwo jemanden gibt der genug ausgibt.
Finanzielles Wohlbefinden ist daher die richtige Balance zwischen Einnahmen, Ausgaben und Investitionen zu finden. Das Ziel ist also weder eine minimalistische Lebensweise durch extreme Minimierung der Ausgaben noch eine ungesunde Verschwendung durch ungezügeltes Ausgeben.
Finanzielles Wohlbefinden zielt daher darauf ab einen möglichst gleichbleibenden oder wachsendenden Lebensstandard zu gewährleisten und das Potential für finanzielle Sorgen immer weiter zu reduzieren.
Vorsorge für den Ruhestand
Es ist sicherlich kein Geheimnis mehr, dass zukünftig die gesetzlichen Renten maximal auskömmlich sein werden, aber nicht den gewohnten Lebensstandard während der Erwerbszeit kompensieren werden. Entweder sorgt man also selbst vor oder man wird seinen Lebensstandard im Ruhestand deutlich reduzieren müssen.
Finanzielles Wohlbefinden hat das Ziel sukzessive aktives Einkommen in passives Einkommen zu überführen. Das muss nicht erst mit 67 abgeschlossen sein, sondern kann auch deutlich früher passieren. Es wird hier gerne von „Finanzieller Freiheit“ gesprochen. Man ist nicht mehr gezwungen zu arbeiten, um seine Ausgaben zu bestreiten. Die Wenigsten werden dann faul auf der Haut liegen, sondern vielleicht Projekte machen, die sie frei nach Frithjof Bergmann „wirklich, wirklich wollen“ und sich zum Beispiel ehrenamtlich betätigen.
Im Umkehrschluss kann es aber auch bedeuten, dass die „Finanzielle Freiheit“ erst viel später (also nach 67) realisiert werden kann, da mit der Transformation von aktiven in passive Einkommensquellen zu spät gestartet wurde und die Rentenanwartschaften keinen ausreichenden Lebensstil garantieren.
Das Ziel ist daher eine Balance zwischen angemessenem Lebensstil und möglichst frühe finanzielle Freiheit zu erlangen.
Im Beitrag „Nutze die Zeit“ habe ich erläutert welche Sparrate du in der jeweiligen Lebensphase brauchst, um die Einnahmen aus passiven Quellen zu realisieren.
Fazit: Finanzielles Wohlbefinden heißt nicht reich werden, sondern nicht arm sterben
Viele haben das Gefühl, dass sie nicht genug vom allgemeinen Wohlstand der Gesellschaft partizipieren. Unbenommen, unsere Gesellschaft ist weit weg von Gerechtigkeit. Eine Pflegekraft mit geringem Einkommen wird möglicherweise gerade in diesen Zeiten zurecht das Gefühl haben nicht vom allgemeinen Wohlstand zu profitieren.
Es geht hier aber nicht darum reich zu werden, sondern nicht arm zu sterben. Das bedeutet, dass die die es sich leisten können, einen Teil ihres Einkommens investieren, um passives Einkommen aufzubauen.
Die Voraussetzung hierfür ist finanzielle Bildung. Hand aufs Herz, die Wenigsten können spontan sagen was nach 10 Jahren Anlage in einen Aktienfonds günstiger ist: 5% weniger Ausgabeaufschlag oder 1% weniger Verwaltungsgebühren. In meinem Beitrag habe ich den Unterschied visualisiert.
Ich möchte mit den Beiträgen in diesem Blog meinen Anteil zu mehr finanzieller Bildung beitragen. Wer das System versteht, wird auch davon profitieren. Entweder du liest dich selbst ein oder du beauftragst einen unabhängigen Experten.
Hier eine Übersicht meiner bisherigen Artikel, die zu mehr finanziellen Wohlbefinden beitragen sollen:
Grundlagen & ETFs
- Warum ich mich um meine Finanzen kümmern sollte
- Aktive und passive Anlagestrategien – eine Symbiose
- Der Erwartungswert für passives Anlegen in den weltweiten Aktienmarkt
- In 60 Minuten zum Finanzüberblick mit einer Do-It-Yourself Excel Lösung
- Wie das Renditedreieck bei der Erreichung der Investitionsziele helfen kann
- Passives Risikomanagement: Nutze deinen Vorteil als Privatanleger
- Passives Risikomanagement: So kannst du die richtige Aufteilung in den risikoarmen und risikobehafteten Anteil ermitteln (Asset Allocation, RK1, RK3)
- Mit Neugewichtung (Rebalancing) Risiko reduzieren ohne auf Rendite zu verzichten
- Was ist besser? 5% weniger Ausgabeaufschlag oder 1 % weniger Verwaltungsgebühren?
- Eine „kostenlose“ Provisionsberatung kann dich mehr als 6.000 Stunden zusätzliche Arbeitszeit kosten
- Prognosefreies Anlegen – Mit Disziplin kannst du 90% der Marktteilnehmer schlagen
- 1 Welt-ETF reicht: Jeder weitere ETF ist eine Wette und kann sogar die Streuung reduzieren
- Historische Renditen von Aktien, Immobilien, Anleihen, Bargeld und Gold seit 1985 im Vergleich
- Über 1.600 € in 2 Stunden. Das Grundprinzip der Einkommensteuer verstehen und mehr Geld vom Finanzamt zurückholen.
- Der All-Inclusive ETF? Mit Vanguard LifeStrategy die Geldanlage weiter automatisieren
- Papa, was ist ein ETF? ETF kinderleicht erklärt.
- Wie kaufe ich einen ETF? Einfache Schritt für Schritt Anleitung
- Meine Erfahrung mit der Riester-Rente: 15% Rendite pro Jahr seit 2006
Rente
- Die Zukunft unserer Rente: Die Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ legt Bericht vor
- Die Lebensstil-Inflation und der Einfluss auf die Rentenlücke
- Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen (Lucius Annaeus Seneca)
- Das Duell: ETF, Riester, Rürup, gesetzl. Rente, private Rente und betriebliche Rente im Vergleich
- Wie du die Renteninformation liest und welche Schlüsse du daraus ziehen kannst – meine 0/1/75 Daumenregel
- Die Riester Rente lohnt sich doch! Attraktive Förderquote bringt Rendite – mit interaktivem Riester-Rechner
- Ab dem 55. Lebensjahr lohnt sich die freiwillige Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung und schlägt sogar einen ETF-Sparplan
- Wenn deine Altersvorsorge ein Spiel wäre: Wie würdest du entscheiden?
- So entscheidest du anhand der Standmitteilung deiner privaten Rentenversicherung, ob es sich lohnt weiter einzuzahlen
- Altersvorsorge mit PEPP. Ist die neue „Europa-Rente für alle“ eine Alternative zu Riester, Rürup und Co?
Kinder
- Wie meine Kinder mit 100€ für die ersten 18 Lebensjahre 1000 € Rente bekommen werden
- Wie dein Kind sein Taschengeld aus einem ETF erhält und dabei viel über die Börse lernt
- Mehr finanzielle Gerechtigkeit bei der Kindererziehung: So verhinderst du eine drohende Einkommenslücke
Immobilien
- So sparst du bei einem Annuitätendarlehen pro 100.000 € Kreditsumme über 30.000 € durch Sondertilgungen
- Erfahrungsbericht Immobilie: Ehrliche Abrechnung einer selbstgenutzten und später vermieteten Eigentumswohnung
Verhalten
- Warum ich auch in der Corona-Krise in den weltweiten Aktienmarkt investiert bleibe
- Die versunkenen Kosten oder die emotionale Rechtfertigung von Fehlentscheidungen
- Die Selbstüberschätzung kostet uns Rendite. 80% halten sich für überdurchschnittlich – in Kanada sogar alle…
- Heute konsumieren und gleichzeitig fürs Alter vorsorgen: Belohne dich selbst
Gedanken & Erfahrungen
- Künstliche Intelligenz (KI) in der Geldanlage
- Wie du Elon Musk, Warren Buffett und die besten Köpfe der Welt für dich arbeiten lässt
- VUCA: Finanzen managen in einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt
- Was künstliche Intelligenz (KI) für den Anleger bedeuten kann
- Wie du deine Vermögensübersicht unabhängig von Marktschwankungen aufbaust
- Fertiggericht oder Eigenkomposition: Wie du dein Finanzportfolio schmackhaft zubereitest
- Nutzt nachhaltiges Investieren in den Aktienmarkt nur unserem Gewissen?
- Mit künstlicher Intelligenz (KI) die Märkte vorhersagen – ein erfolgreicher Selbstversuch
- Was bedeutet die Ausweitung der Geldmenge für die Stabilität des Euros und deiner Anlagestrategie?
- Das FinCamp 2020 vom Finanzwesir: Homo Oeconomicus trifft Homo Sociologicus
- Scalable Capital: Warum der größte RoboAdvisor Deutschlands im März so schlecht abschnitt und was das für die Zukunft bedeutet
- Wertbasiertes Anlegen mit der Robinson-Strategie: Anlageklassen die garantiert auch zukünftig einen Wert haben werden
- Was tun bei Negativzinsen?
- Hilfestellung für Selbstentscheider – getquin will die Lücke zwischen Robo-Advisor und Neobroker schließen
- Passiv gegen Aktiv: Meine Wette mit einem Finanzprofi (500 € für einen guten Zweck)
Beitragsbild von Pexels auf Pixabay
Ich verfolge das Ziel finanzielles Wohlbefinden zu ermöglichen. Finanzielles Wohlbefinden heißt die finanziellen Angelegenheiten geklärt zu wissen und die losen finanziellen Enden aufzulösen. Mit meinen Artikeln möchte ich dazu beitragen Finanzwissen zu teilen und jedem die Möglichkeit zu geben seine Finanzen selbst in die Hand zu nehmen.
Auch wenn alle Konzepte eigenständig umgesetzt werden können, hat nicht jeder Zeit und/oder Lust sich um seine Finanzen zu kümmern. Für diese Menschen biete ich mein Finanzcoaching an. Ziel meines Finanzcoachings ist dir ein Cockpit zu liefern. Du behältst die Kontrolle und bleibst auf dem Fahrersitz.
Trete mit mir in Kontakt.