Do. Jan 30th, 2025

AI Wettbewerb USA versus China

„Eine Billion Dollar in wenigen Stunden vernichtet“, „DeepSeek lässt Märkte zittern“ – so titelten die Wirtschaftsmedien, als wäre an den Technologiebörsen zu Beginn dieser Woche etwas wirklich Schlimmes passiert.

Tatsächlich haben aber nur Nvidia, Broadcom, Arista Networks und einige andere Anbieter von Rechenzentrumsinfrastruktur sowie Zulieferer wie Energiewerte am Montag innerhalb einer Börsensitzung bis zu 20% ihrer luftigen Börsenbewertung verloren. Die meisten anderen Tech-Aktien waren von dem DeepSeek Beben genauso unberührt wie mein eigenes Musterportfolio.

Falls Dein Depot zu Wochenbeginn größere Verluste erlitten hat, dann bist du mit hoher Wahrscheinlichkeit zu stark in den Aktien investiert, die direkt oder indirekt vom weiteren Verlauf der KI-Revolution abhängen.

Die KI Blase

Es ist wieder einmal an der Zeit, daran zu erinnern, dass Aktienkurse an der Börse oft nicht dem tatsächlichen Wert eines Unternehmens entsprechen. Die Kurse der o.g. IT-Infrastrukturanbieter sind getrieben von der Phantasie und dem vermeintlichen Geschäftspotenzial, das sich aus dem unersättlichen Ressourcenhunger der KI ergibt.

Die Kurse dieser Unternehmen sind in den letzten 2 Jahren mit dem Siegeszug von ChatGPT und Co. viel zu schnell gestiegen. Zuletzt wurden die Kursgewinne vor allem von einer euphorischen Stimmung getragen. Ich habe mehrfach (und zugegebenermassen viel zu früh) vor einer KI-Blase gewarnt, und drei „Proof Points“ für eine KI-Blase aufgezeigt. Ich möchte insbesondere alle Nvidia-Aktionäre ermutigen, den Artikel zur immer noch ungelösten $600 Mrd. Frage von Sequoia zu lesen.

Solche Warnungen, Argumente und Informationen wurden bisher von der Wall Street ignoriert. Bisher galt es als ausgemacht, dass Unternehmen immer mehr in KI-Infrastruktur investieren müssen, um im KI-Zeitalter wettbewerbsfähig zu bleiben.

Zuletzt gipfelte die amerikanische KI-Gigantomanie darin, dass sich OpenAI-CEO Sam Altman zusammen mit Softbank-CEO Masayoshi Son und dem inzwischen 80-jährigen Oracle-Gründer Larry Ellison mit dem neuen Präsidenten Donald Trump im Weißen Haus trafen, um das Projekt „Stargate“ vorzustellen, das in den nächsten vier Jahren $500 Mrd. in amerikanische KI-Rechenzentren investieren will.

Was das alles mit DeepSeek zu tun hat?

DeepSeek ist eine chinesische KI-Firma mit nur 200 Mitarbeitern. Die chinesischen KI-Forscher behaupten, dass sie mit viel weniger Rechenressourcen eine generative KI trainieren konnten, die den neuesten amerikanischen Modellen von OpenAI, Anthropic und Co. mindestens ebenbürtig ist.

Nun könnte man dies für geschickte Propaganda aus China halten. Und es ist sicher kein Zufall, dass DeepSeek wenige Tage nach der Ankündigung des $500 Mrd. schweren Stargate-Programms, das die KI-Vorherrschaft der USA zementieren soll, an die Öffentlichkeit ging.

Um zu beweisen, dass es sich bei DeepSeek nicht um einen China Fake, sondern um eine echte Innovation handelt, haben die chinesischen Forscher ihr neuestes V3-Modell als OpenSource veröffentlicht. Das bedeutet, dass jeder den Quellcode dieses LLM (Large Language Model) einsehen, verändern und auch kommerziell verwenden kann. V3 ist ein Geschenk Chinas an die Welt, das nun in den KI-Forschungszentren weltweit analysiert wird.

Was man jetzt schon sagen kann, ist, dass DeepSeek einige äußerst clevere und kreative Optimierungen für das Training und die Abfragen (Inferenz) seines KI-Modells gefunden hat. Man geht davon aus, dass das Training 45 Mal effizienter durchgeführt werden konnte als bei den führenden US-Playern wie OpenAI und Anthropic üblich. Dies führte dazu, dass die Kosten für das Training von DeepSeek-V3 (vergleichbar mit GPT-4o) angeblich nur etwas mehr als $5 Mio. betrugen. Bisher ging man davon aus, dass für das Training eines solchen LLMs ein dreistelliger Millionenbetrag erforderlich ist.

Das alles klingt plausibel, denn DeepSeek legt vollständig offen, mit welchen neuen Ideen und Algorithmen sie diese unglaublichen Fortschritte erzielt haben.

Wenn dich diese Dinge im Detail interessieren, dann empfehle ich dir den folgenden Blogbeitrag von Jeffrey Emanuel. Du brauchst eine ruhige Stunde und ein wenig technisches Verständnis für diese Lektüre. Aber ich verspreche Dir, es lohnt sich, die Zeit und das Hirnschmalz zu investieren.

Wenn Du die DeepSeek KI selbst ausprobieren möchtest, musst Du Dich noch etwas gedulden. Nach dem Ansturm auf die App hat das Unternehmen die Nutzung vorübergehend auf Nutzer aus China beschränkt.

Nach allem, was ich in den letzten Tagen gelesen und gehört habe, gehe ich davon aus, dass DeepSeek tatsächlich eine Zeitenwende für KI einläutet. Die KI-Revolution insgesamt dürfte einen weiteren Schub erhalten und insgesamt dürfte die Generative KI weit weniger eingeschränkt sein, als ich und andere Skeptiker bisher angenommen haben. So sollten in Zukunft die problematischen Halluzinationen der KI mit den neuen Inferenz-Algorithmen in den Griff zu bekommen sein und viel verlässlichere Lösungen hervorbringen.

Was bedeutet DeepSeek für Tech-Aktien?

1. SaaS-Aktien erleben ihr Revival

Die großen Gewinner werden die Application Service Provider sein, also die Anbieter von Cloud-basierter Anwendungssoftware, wie sie hier im Nasdaq Emerging Cloud Index zu finden sind.

Diese SaaS-Unternehmen sind darauf angewiesen, KI-Funktionalitäten in Form von KI-Copiloten, KI-Agenten o.ä. in ihre Anwendungen zu integrieren, um auch im KI-Zeitalter relevant zu bleiben. Bisher musste man davon ausgehen, dass der Betrieb dieser KI Funktionalitäten hohe Betriebskosten verursachen würde, die auf die meist hohen Bruttomargen dieser Unternehmen drücken würden.

Wenn nun neue Technologien wie die von DeepSeek dafür sorgen, dass KI zukünftig zu einem Bruchteil der bisher geplanten Kosten trainiert und betrieben werden kann, dann ist das natürlich eine sehr gute Nachricht für die Anbieter von Anwendungssoftware.

Das hat inzwischen auch der Finanzmarkt erkannt. Der o.g. Nasdaq Cloud Index ist in den letzten zwei Wochen um 15% gestiegen, während der von Big Tech dominierte Nasdaq 100 Index nahezu unverändert blieb und Nvidia korrigierte.

Nasdaq Cloud Index

Entwicklung und Zusammensetzung des Nasdaq Cloud Index

Interessant auch, dass dieser Cloud Aktien Index immer noch 35% unter seinem Ende 2021 erreichten Höchststand notiert.

2. Infrastruktur Cloud Provider müssen umdenken

Bisher ging man davon aus, dass Application Service Provider in Zukunft immer mehr Geld an die großen Cloud Provider (allen voran AWS, Microsoft, Google) zahlen müssen, um dort ihre AI Workloads zu betreiben.

Dank der DeepSeek-Forschungsergebnisse werden die Cloud-Provider vermutlich viel weniger Ressourcen (z.B. Energie, GPUs, Hochleistungsnetzwerkkomponenten etc.) benötigen als bisher geplant, um die AI-Services ihrer Kunden zu betreiben. Dies dürfte einerseits zu geringeren Umsätzen führen. Andererseits werden aber auch Anwendungen wirtschaftlich möglich, deren Umsetzung bisher am Ressourcenhunger scheiterte. Dies könnte zu einer zusätzlichen Nachfrage seitens der Applikationsanbieter führen.

Insgesamt sind die Auswirkungen von DeepSeek auf Umsatz und Profitabilität der großen Cloud-Anbieter schwer zu prognostizieren. Sicher ist nur, dass die Karten neu gemischt werden.

Bei den Cloud-Anbietern dürfte man aktuell hektisch dabei sein, die Businesspläne zu überarbeiten, da sich durch DeepSeek wichtige Rahmenbedingungen geändert haben. Ich bin mehr denn je gespannt, was Microsoft, Meta und Co. in den nächsten Wochen zu ihren Investitionsplänen in den weiteren Ausbau von Rechenzentren sagen werden.

3. Das Monopol von Nvidia gerät ins Wanken

Nvidia ist derzeit der Quasi-Monopolist für Hochgeschwindigkeits-Chips (GPUs), die für das Training und die Abfrage von KI-Modellen benötigt werden. Durch diese Monopolstellung ist es dem Unternehmen möglich, Preise für seine Chips zu verlangen, die das Zehnfache der Herstellungskosten betragen. Nvidia erzielt mit diesen Produkten eine geschätzte Bruttomarge von 90%, was in der Geschichte der Halbleiterindustrie ziemlich einmalig ist.

Ich gehe davon aus, dass diese Margen in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören werden. Denn welcher Kunde sollte nach den neuesten Erkenntnissen heute noch über eine Milliardeninvestition zu den von Nvidia aufgerufenen Mondpreisen entscheiden, wenn künftig deutlich weniger Ressourcen für das Training und die Inferenz der KI-Modelle ausreichen? Ist vielleicht die Konkurrenz von AMD in Zukunft gut genug? Oder werden die hauseigenen Chips, die Amazon, Google und Microsoft bereits heute fertigen lassen, unter den neuen technologischen Rahmenbedingungen zu einer echten Alternative zu Nvidia?

Es wird noch etwas dauern, bis sich der Nebel lichtet und die Auswirkungen der DeepSeek-Innovationen wirklich klar werden. Aber die Verunsicherung, die nun zwangsläufig bei den größten Nvidia-Kunden aufkommt, könnte ausreichen, um zu Verzögerungen bei der Bestellung von Nvidia-Chips zu führen. Oder zumindest zu einem gewissen Margendruck.

In den Nvidia Geschäftszahlen der nächsten Quartale wird man die neue Situation wohl noch nicht ablesen können, da der Nvidia Umsatz für 2025 bereits weitestgehend in den Büchern steht. Investoren und Analysten werden sich daher vor allem für den längerfristigen Ausblick des Unternehmens interessieren.

Zur Erinnerung: Es handelt sich bei Nvidia zum Großteil NICHT um wiederkehrende Umsätze, sondern Nvidia ist nach wie vor im zyklischen Halbleitermarkt zu Hause. Die Umsätze müssen von Nvidia Jahr für Jahr immer wieder neu hereingeholt werden. Daher sollte der Nvidia Umsatz eigentlich von den Investoren viel geringer bewertet werden als die wiederkehrenden Umsätze einer SaaS Company. Derzeit ist das Gegenteil der Fall: Die Nvidia Aktie wird mit dem 27-fachen des Umsatzes bezahlt.

Analysten rechnen auch für das kommende Nvidia Geschäftsjahr 2026 immer noch mit über 50% Umsatzwachstum und einer Nettomarge von über 50%. Ich bin gespannt, inwiefern die optimistischen Nvidia Kursziele der Analysten demnächst etwas revidiert werden müssen.

Ich empfehle jedem Nvidia-Aktionär dringend, neben diesen sehr bullishen Stimmen der Analysten aus den Investmentbanken auch den lehrreichen Nvidia Shortcase eines erfahrenen Software Engineers und KI Experten zu studieren. Aus meiner Sicht ist der Absturz der Nvidia-Aktie tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit.

4. OpenAI unter Druck


Noch mehr Sorgen als die Nvidia-Aktionäre sollten sich allerdings diejenigen Investoren machen, die sich außerbörslich an OpenAI zu einer Bewertung von $157 Mrd. Dollar beteiligt haben. Ich habe die Mega-Finanzierungsrunde von OpenAI bereits vor einigen Monaten sehr kritisch kommentiert und gehe jetzt davon aus, dass das Unternehmen mittelfristig in existenzbedrohende Schwierigkeiten geraten könnte.

Denn OpenAI verbraucht große Mengen an Kapital und ist darauf angewiesen, dass die Umsätze weiter so rasant steigen wie in der jüngsten Vergangenheit, um immer neue Finanzierungsrunden zu immer höheren Bewertungen zu machen. Jetzt kommt DeepSeek daher und bietet unter anderem eine API an, mit der Kunden vergleichbare KI-Modelle zu einem Bruchteil der Kosten von OpenAI in ihre Anwendungen integrieren können.

Ich möchte nicht in der Haut von Sam Altman stecken. Jetzt dürfte es sich rächen, dass er viele seiner höchst erfolgreichen KI-Forscher vergrault hat. Denn der große Vorsprung, den OpenAI noch vor 1-2 Jahren gegenüber den Mitbewerbern hatte, ist mittlerweile wohl dahin.

5. Stargate ein Flop?

Ziemlich lächerlich stehen jetzt vor allem Larry Ellison, Masayoshi Son und Donald Trump da. Sie hatten sich erst letzte Woche zusammen mit Sam Altman im Weißen Haus hingestellt und behauptet, in den nächsten vier Jahren insgesamt $500 Mrd. in KI-Rechenzentren in den USA investieren zu wollen.

Dabei ist die Finanzierung keineswegs gesichert, selbst die für 2025 geplanten $100 Mrd. für Stargate sind wohl noch lange nicht in trockenen Tüchern. Masayoshi Son, der von der Idee besessen ist, bis zu seinem Lebensende eine Superintelligenz zu erschaffen, soll Altman $40 Mrd. für Stargate versprochen haben. Zur Finanzierung will er wohl die Hälfte mit Krediten finanzieren und die wertvollen Arm Aktien der Softbank als Sicherheit hinterlegen.

Neben dem Eigenkapital, das neben Softbank und OpenAI auch von Oracle und MGX (Staatsfonds aus Abu Dhabi) kommen soll, soll Stargate wie andere Rechenzentrumsbetreiber in erheblichem Umfang fremdfinanziert werden. Als Sicherheit will man nach Angaben von The Information die eigenen Nvidia-Chips hinterlegen.

Wie abstrus ist das denn? Es müsste sich doch herumgesprochen haben, dass die derzeit so begehrten Nvidia Chips allein schon wegen des schnellen Fortschritts mit immer neuen GPU-Generationen nicht gerade wertbeständig sein dürften.

Ich kann die Meldungen rund um Stargate nicht wirklich ernst nehmen. Aber vielleicht haben die Stargate-Macher ja auch Glück und es stellt sich heraus, dass in den nächsten Jahren dank DeepSeek nicht annähernd $500 Mrd. benötigt werden. 😉

Fazit

DeepSeek ist kein China-Fake. Dahinter steckt echte Innovation und neue Konkurrenz für die amerikanische KI-Industrie.

Ich war noch nie so optimistisch wie heute, was die Möglichkeiten von KI angeht. Wir scheinen wirklich an der Schwelle zu einem neuen KI-Zeitalter zu stehen. Dieses wird aber wahrscheinlich auch durch mehr Vielfalt und Wettbewerb an allen möglichen Stellen der Wertschöpfungskette gekennzeichnet sein. Die bisherigen KI Gewinner dürften nicht unbedingt die KI Gewinner von morgen sein.

In jedem Fall müssen wir uns mit unseren Tech-Aktien auf äußerst volatile Zeiten einstellen. Wenn Du die weitere Entwicklung gemeinsam mit mir verfolgen willst, dann kannst Du hier jetzt meinen kostenlosen wöchentlichen Newsletter bestellen.

Disclaimer

Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzt eine Short-Position von Nvidia. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und selbstverständlich keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.